Die Geschichte der Orgel
Wie alten Pfarrakten zu entnehmen ist, wurde die erste Orgel in dem "zu einem Barockbau mit kreuzförmigem Grundriß erweiterten Gotteshaus" von Johann Christian Köhler aus Frankfurt am Main erbaut und erklang zum ersten Mal an Ostern 1749. Es handelte sich damals um eine einmanualige Schleifladenorgel, wobei von der Art und Zahl der Register leider nichts mehr bekannt ist. Aus dieser Zeit stammt auch der Orgelprospekt, dieses mit "vielfältigem Schnitzwerk und figürlichem Schmuck verzierte Schmuckstück" der Kirche.
Im Jahre 1910 wurde die erste Orgel entfernt und von der Orgelbaufirma Weigle aus Echterdingen durch ein zweimanualiges pneumatisches Werk ersetzt. Diese Orgel brachte sowohl technisch als auch klanglich eine erhebliche Verbesserung gegenüber dem alten Instrument.
Allerdings war der Organist beim Spielen nach wie vor auf einen "zweiten Mann" angewiesen. Denn für die Winderzeugung mußte noch der Blasebalg getreten werden. Als der von der Kommune bestallte Blasebalgtreter dann aufgrund des größeren Luftbedarfs der Orgel auf dem Rathaus um eine Gehaltsaufbesserung ersuchte, wurde er wenig später durch einen elektrischen Blasebalg ersetzt!
Die Steinmeyer-Orgel
Aber auch diese Orgel war dem Zahn der Zeit ausgesetzt und genügte nicht mehr den technischen und klanglichen Anforderungen. So wurden Anfang der 60-er Jahre Überlegungen hinsichtlich eines Um- und Neubaus der Orgel angestellt. Der Kirchenvorstand entschied sich damals erfreulicherweise zu einem Neubau.
Mit freundlicher Unterstützung und Beratung des damaligen Orgelbau-Sachverständigen Hanns Brendel aus Wiesbaden wurde daraufhin eine neue Orgel konzipiert. Unter mehreren Bewerbern bekam die renommierte Orgelbaufirma Steinmeyer aus Öttingen / Bayern 1963 den Auftrag, hinter dem historische Orgelprospekt ein neues Orgelwerk zu erstellen. Die Orgelbaufirma hat eine traditionsreiche Geschichte und hat u.a. auch die Orgeln des Passauer St.-Stefans-Doms und der Hamburger Michaeliskirche gebaut.
Bei der neuen Bischofsheimer Orgel handelt es sich um eine elektropneumatische zweimanualige Schleifladenorgel mit etlichen Spielhilfen. Das Werk umfaßt 25 Register mit 1640 klingenden Pfeifen. Dieses Werk ist der Firma Steinmeyer offenbar besonders gut gelungen, denn der damalige Intonateur des Instruments hat in der Orgel einen stenografischen Vermerk mit folgendem Inhalt hinterlassen:
"Diese Orgel wird die Schönste von ganz Hessen, vielleicht das edelste Werk der Firma in den letzten Jahren."
Am 18. Dezember 1965 wurde die neue Orgel in einem festlichen Gottesdienst der Gemeinde vorgestellt.
Disposition:
1. Manual:
Pommer 16', Principal 8', Spitzflöte 8', Oktave 4', Rohrflöte 4', Sifflöte 2', Quinte 2 2/3', Mixtur 4fach 1 1/3', Zimbel 3fach 1/2', Trompete 8'
2. Manual:
Gedackt 8', Blockflöte 4', Weidenpfeife 4', Principal 2', Quinte 1 1/3', Sesquialter 2fach 2 2/3', Scharf 4fach 1', Krummhorn 8', Zimbelstern
Pedal:
Subbaß 16', Principal 8', Metallgedeckt 8', Nachthorn 4', Mixtur 3fach 1 2', Stillposaune 16'
In den achtziger Jahren erhielt die Orgel noch eine sogenannte "Setzerkombination", eine Spielhilfe, mit der vorher definierte Registrierungen aktiviert werden können.
Anfang 2011 wurde das Fußmanual überholt: An den Filzbelegen und Ledermanschetten hatte der Zahn der Zeit genagt und sie mussten erneuert werden. Die Arbeiten wurden von der Fa. Steinmeyer ausgeführt.
Ein neuer Anstrich
Im Zuge der Innenrenovierung 1992 wurde von den beauftragten restauratoren auch der Orgelprospekt gründlich untersucht und die einzelnen Farbschichten freigelegt. Dabei zeigte es sich, dass der barocke Prospekt ursprünglich in einem Blauton gestrichen war. Eine Urkunde im Archiv der Gemeinde Bischofsheim mit Datum vom 13. März 1755 bestätigt dies:
Heute dato als den dreyzehnten Mertz ist zwischen mir und der Bischheimer Gemeinde, in beyseyn des Hr. Pfarrers wegen der Orgel, ein Accort getroffen worden, nemlich die Zieraden und Stäbe, welche in der ansicht sind, mit gutem Ducatengold verguld, daß Holtzwerk aber, vorn und auffbeyden seiten blau Berliner Farb angestrichen, ... und ein solches ohne betrug und arglist, solches arbeit so bald als möglich verfertiget, anbey den Engelskopf zu stellen und solches zwischen aus accordit 90 fl. sage Neutzig Gulden, dahingegen muß ich auff meiner Kosten alles Materiallien stellen zur Arbeit."
Unterzeichnet ist die Vereinbarung von Georg Christian Seekatz, der auch die Deckengemälde schuf.
Über Jahre war er verschwunden, der kleine Engel, der die Spitze des Orgelprospektes zierte, ohne dass es jemandem aufgefallen war. Erst als im Rahmen der Innenrenovierung auch der Orgelprospekt überarbeitet wurde und dazu alte Fotos zur Hand genommen wurden, kam der Verlust zu Tage. Unter welchen Umständen der kleine Engel seinen angestammten Platz verlassen hat, blieb allerdings im Dunkeln.
Umso größer war die Überraschung, als der Mitarbeiter eines Bischofsheimer Malerbetriebs seinem Chef den Fund auf dem Bischofsheimer Wertstoffplatz zeigte, handelte es sich doch dabei um genau jenen Engel. Liebevoll restauriert schaut er nun wieder von der Spitze der Orgel herab auf die Gemeinde - der kleine von Georg Christian Seekatz gefertigte Engel.
Neue Elektrik
1965 war die Elektrik der Steinmeyer-Orgel auf dem neuesten Stand, aber seither ist viel Zeit vergangen und heutigen Betrachtern kommt sie eher wie aus der Steinzeit vor.
Kein Wunder also, dass sie im Juni 2016 einen Defekt auslöste, der einen Weiterbetrieb der Orgel unmöglich machte. Ohnehin war eine Überholung der in die Jahre gekommenen Orgel geplant und so wurde im März 2017 die Elektrik hinter dem Spieltisch komplett ausgetauscht.
Die Spielhilfen werden nun elektronisch gesteuert über einen kleinen Computer, der zahlreiche Voreinstellungen ermöglicht, die per Knopfdruck abgerufen werden können.