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(((Glockenschlag)))

18. Juli 2023

Gott ist queer – ja selbstverständlich

Seit einem Monat schlägt eine Predigt hohe Wellen. Eine Predigt? Ja, Sie haben richtig gelesen: Es wird deutschlandweit über die Worte eines Pfarrers diskutiert. Das mutet anachronistisch an. Quinton Caesar sagte beim Abschlussgottesdienst des Evangelischen Kirchtages in Nürnberg den Satz: „Gott ist queer.“ Danach war die Aufregung groß.

Das finde ich eigentlich seltsam. In der Bibel steht schließlich, dass wir nach Gottes Ebenbild geschaffen wurden. Somit müsste das große, bunte Menschheitsbild uns auch Aufschlüsse darüber geben, wie wir Gott in Worte fassen können.

Aber wie reden wir eigentlich über Gott und was geschieht alles so im Namen Gottes?

Der §175 verbot in Deutschland offiziell über einhundert Jahre lang Homosexualität und legitimierte die Verfolgung von homosexuellen Menschen. Erst seit 1994 gab es eine strafrechtliche Sondervorschrift zur Homosexualität. Als Kirchen müssen wir dabei gar nicht mit dem Zeigefinder auf den Staat zeigen. Warum war es so lange gesellschaftlich tabuisiert, dass eine Frau auch eine Frau oder ein Mann einen Mann lieben kann und das ok ist?

Bis heute werde ich gefragt, ob ich gleichgeschlechtliche Paare trauen würde. Meine Antwort: Ja, natürlich. Aber so selbstverständlich ist das gar nicht. Es ist 20 Jahre her, dass bei uns – in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) – die Segnung eingetragener Lebenspartnerschaften im Gottesdienst ermöglicht wurde. Vor fünf Jahren wurde die bisherige gleichgeschlechtliche Segnung in Trauung umbenannt und damit werden diese Paare auch offiziell in die Kirchenbücher eingetragen.

Ende April hat unsere Landeskirche (EKHN) ihre Schuld gegenüber queeren Menschen bekannt. Im Text heißt es, dass Lesben, Schwule, Trans- und Intersexuelle auch in Gemeinden und Einrichtungen der EKHN lange Zeit Diskriminierung erfahren haben.

Wir haben uns als Kirche nicht entgegen gestellt. Schlimmer noch: Wir haben die Würde von Gottes Geschöpfen in Erklärungen und Verlautbarungen verletzt, welche sich einseitig auf ein nur binäres, letztlich patriarchales Familienmodell bezogen haben.

Hilft dieses Schuldbekenntnis nun? Die Reaktionen auf die Nürnberger Predigt zeigen, dass es vielen Menschen noch immer wichtig ist, was in den Kirchen so gepredigt wird. Vielleicht auch gerade, weil viel falsch gemacht wurde.

Ich verstehe es als Auftrag, dass wir das Ebenbild Gottes sind. Als Menschen sind wir uns allen gegenseitig Hirten:innen. Deswegen denke ich, ist es an der Zeit zu sagen: Selbstverständlich ist Gott auch queer.

Pfarrer Marcus Bahnsen, Evangelische Kirchengemeinde Gustavsburg

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